Gleich nachdem ich mein kammermusikalisches Werk „Das siebente Siegel“ fertig komponiert hatte, das auf der Offenbarung über den Untergang der Welt beruht, brach weltweit die Corona-Pandemie aus. Die Menschen gerieten in Panik: sie beginnen, Lebensmitteln und andere Güter zu horten, isolieren sich und ihre Familien in der angeblichen Sicherheit ihrer eigenen vier Wände und warten auf das Ende der Katastrophe oder vielleicht sogar auf ein Wunder. Der biblische Noah baute eine Arche, um seine Familie und alle Tierarten vor der Sintflut retten zu können; die Assoziation inspirierte mich, eine tönende Arche zu schaffen.
Mit bestimmten Akkorden fixierte ich das Gerüst der Arche, und versuchte dann, die gigantischen Wellen der Außenwelt einerseits und die machtlosen Menschen und verängstigten Tiere im Inneren des Schiffes andererseits abwechselnd durch bildliche Klänge darzustellen. Für die Tonanordnung konstruierte ich eine 12-Tonreihe, die mit dem berühmten B,A,C,H-Thema beginnt und dem Prinzip der 2. Wiener Schule widerspricht, denn die Tonfolge klingt teilweise völlig tonal und sentimental. Wenn sie gelegentlich nicht als Reihe auftritt, wird sie beliebig verändert und je nach kompositorischem Bedarf zu einer Melodie, einem Thema oder Motiv umgestaltet.
Mit diesem kleinen musikalischen Opfer wünsche ich allen Menschen, die ich kenne, nicht kenne, liebe oder hasse, die Sintflut des Virus zu überstehen.
Ming Wang
Vienna, November 2020
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