Als Kind sah ich den Film „Exodus“. Die Szene, die mich am meisten beeindruckte, war, als die Pest langsam wie dunkelgrüner Rauch vom Himmel niederstieg und der Todesschrei, der in der Dunkelheit auf- und abging. An den Häusern, die mit dem Blut des Lammes markiert waren, zog der Todesengel in jener Nacht vorüber, nicht um Tod zu bringen, sondern den Hebräern Erlösung zu schenken.
Inmitten der hoffnungslosen Pandemiezeit habe ich dieses Stück entworfen, um unsere Verzweiflung, Angst und Entrüstung auszudrücken. Doch stets träumen wir von der Hoffnung, dass die Pandemie an uns und unseren Lieben vorübergehen möge und wir von Erlösung verschont bleiben, bis sie eines Tages zu uns kommt.
Diese Komposition umfasst drei Hauptelemente: Die Klangflächen, die sich gespenstisch bewegen und die Macht der Todesengel symbolisieren; eine 12-Tonreihe, die mit dem berühmten BACH-Thema beginnt und auch in meinem Stück „Arche“ derselben Kompositionsserie verwendet wird. Diese Reihe fungiert als roter Faden, der sich in verschiedenen Erscheinungsformen durch die gesamte Serie zieht.
Im Mittelteil erklingt der Choral „An Wasserflüssen Babylon“ mit der Melodie von Matthias Greiter (um 1495–1550) und der Harmonisierung von Claude Goudimel (um 1520–1572). Dieser Choral symbolisiert die tiefste Traurigkeit der Menschen, die jedoch durch ihren Glauben dem Schatten des Todes entrinnen.
Ming Wang
Vienna, März 2024
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